Zweiter Weltkrieg

Der „Halbjude“ Gerd Grimm als Zeitzeuge des Zweiten Weltkriegs

Der „Ergänzungskarte über Abstammung und Vorbildung“ im Rahmen der „Volks-, Berufs- und Betriebszählung“ vom 17. Mai 1938 ist zu entnehmen, dass die Familie Grimm in Karlsruhe, Geranienstr. 4 wohnhaft war. Grimms Vater Eugen, 1881 geboren, war von Beruf Ingenieur. Zu seiner 1885 geborenen Mutter Rosie gibt es keine Berufsangabe. Sie stammte aus Allentown (Pennsylvania) und galt im Sinne der NS-Ideologie als „Volljüdin“, beider (einziger) Sohn Gerd dementsprechend als „Halbjude“. Grimms Mutter gehörte zu den 730 badischen Juden, die am 22. Oktober 1940 nicht – wie 6500 andere jüdische Mitbürger – ins Lager Gurs nach Südfrankreich abgeschoben wurden, sondern aufgrund ihrer ehelichen Verbindung mit einem „Arier“ Krieg und NS-Regime überlebte. Zur Zeit der Erhebung wohnte Gerd Grimm selbst, nach seiner Ausbildung an den Kunstschulen Karlsruhe, Nürnberg und Berlin längst ebendort in der Kantstr. 4 im Bezirk Tiergarten als Mieter von Sophie Bachtold. Während des Kriegsverlaufs wurde die Wohnung ausgebombt.

Der us-amerikanische Historiker Brian Mark Rigg, der schon 2003 mit einem Aufsehen erregenden Buch „Hitlers jüdische Soldaten“ an die Öffentlichkeit trat, hatte im Rahmen seines Projekts 430 ehemalige Wehrmachtsangehörige mit jüdischen Wurzeln kontaktiert. Mit Gerd Grimm führte er 1994 und 1996 zwei lebensgeschichtliche Interviews.

Grimms Karriere als einer von Hitlers jüdischen Soldaten war nur von kurzer Dauer. Wann genau sie begann, geht selbst aus den „Erkennungsmarkenverzeichnissen und Veränderungs- meldungen der Wehrmacht“ nicht hervor. Sicher ist, dass er 1940 der 1. Kompanie Nachrichten-Abteilung 231 in Rzeszow (Ostpolen) angehörte, Anfang 1941 dann in der 1. Kompanie, Panzer-Nachrichten-Abteilung 92 Dienst tat, seine militärische Laufbahn wenige Wochen später in der 1. Kompanie, Panzer-Nachrichten-Ersatz-Abteilung 81 mit dem Dienstgrad „Funker“ beenden musste. Am 23. Januar 1941 wurde er mit dem üblichen Vermerk „wehrunwürdig“ entlassen.

Dessen ungeachtet muss er in der Truppe recht beliebt gewesen sein, nicht zuletzt aufgrund seiner Gabe Menschen porträtieren zu können. „Der Kompaniechef von Gerd Grimm behandelte ihn mit Respekt und sagte ihm, er bedaure, was der tun müsse, aber die Wehrmacht befehle ihm, ‚Halbjuden‘ zu entlassen.“ (Rigg, S. 160).

Erhalten haben sich eine Handvoll hingeworfener Skizzenblätter, die ihn als aufmerksam beobachtenden Zeitzeugen ausweisen, sowohl während seiner Zeit in der Wehrmacht als auch in den ruhelosen Jahren danach, als er häufig zwischen Berlin und dem Schwarzwald hin- und her gependelt sein soll. Das Spektrum seiner Sujets reicht von scharfen Karikaturen bekannter NS-Größen über Porträts einfacher Kameraden bis hin zu Momentaufnahmen polnischer Bauern. Hinzu kommen ebenso beeindruckende wie bedrückende Impressionen aus Luft- schutzkellern und Flüchtlingstrecks aus den späteren Kriegsjahren.

Fluechtlingstreck-1944
Fluechtlingstreck 1944

Hitler-Goering
Hitler, Goering

Luftschutzkeller-Berlin-03-1943
Luftschutzkeller, Berlin 1943

Portraet-Otto-Grasnik-1940
Portraet Otto Grasnik, 1940

Soldaten-zwei-1940
Zwei Soldaten, 1940

Uniformierte-1935
Uniformierte, 1935

Fluechtlingstreck-Dez-1944
Fluechtlingstreck-2, 12-1944

Luftschutzkeller-Kohlenklau
Luftschutzkeller, Kohlenklau

Soldaten-Winteruniform
Soldaten in Winteruniform


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